„Unabhängigkeit ist ein hohes Gut“


GAST Ingo Zamperoni spricht beim DJV-Ortsverband

WIESBADEN - Reiner Zufall, dass sein 43. Geburtstag diesen Mittwoch mit dem „Tag der Pressefreiheit“ zusammenfiel. An diesem Tag sei er in der Schule seines Zweitklässler-Sohnes in der „Berufsberatung“ gewesen, scherzt Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni, der als Gast des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) von der Wiesbadener Ortsverbands-Vorsitzenden Sylvia Kuck befragt wird. An der Bedeutung des Themas auch für seine Arbeit lässt der gebürtige Wiesbadener und einstige Leibnizschüler aber keinen Zweifel: „Pressefreiheit ist ein Fundament unserer Demokratie.“ Dabei erinnert er nicht nur an die 120 allein in der Türkei inhaftierten Journalisten, darunter der Flörsheimer Deniz Yücel, auch Einschüchterungsversuche, wie sie jetzt seine ARD-Kollegen bei der 100-Tage-Bilanz Donald Trumps in den USA erlebten, gehörten zum Spektrum der Gewalt gegen Journalisten. Er selbst, erinnert sich Zamperoni, habe entsprechende Androhungen einst bei einer Recherche über einen Kaffeefahrten-Ring erlebt. „Unabhängiger Journalismus“, sinniert der eloquente Nachrichtenmann, „ist ein hohes Gut.“

Das Publikum in den proppevollen Räumen des Wiesbadener Presseclubs interessieren außer Medieninterna natürlich zuvorderst Zamperonis Einschätzung der amerikanischen Politik, weilte er doch für drei Jahre als Korrespondent in Washington. Schon damals, als Donald Trump im Juni 2015 die goldene Rolltreppe im Trump-Tower herunterkam und seine Kandidatur erklärte, habe er – allerdings scherzhaft – getwittert, Hillary Clinton und die anderen könnten sich warm anziehen, denn: „Jetzt kommt Trump!“

Die Präsidentschaft Trumps empfindet der einstige Korrespondent, der auch an seine ersten journalistischen Sporen beim „Wiesbadener Kurier“ erinnert, als „skurriles Phänomen, das wir erklären müssen“, attestiert „The Donald“ eine „unglaubliche narzisstische Störung“ und dass dessen Slogan eigentlich „Trump first!“ hätte lauten müssen. Immerhin, konstatiert der USA-Kenner, dessen Buch „Fremdes Land Amerika“ gerade seine 5. Auflage erlebt, habe der egomanische Präsident den Ehrgeiz der US-Medien angestachelt, zumindest der unabhängigen, die nicht nur ihre Investigativressorts verstärkten, sondern auch veritable Auflagenzuwächse generieren.

Welche Wege in den Journalismus von morgen führten? Social Media beschleunige und liefere Schlagzeilen, lasse aber wenig Raum für Tiefe, sagt Zamperoni. Dauerpräsenz versus hintergründige Information: Das sei die Chance für guten Journalismus, meint der ARD-Anchorman. Und erntet nachdrückliches Kopfnicken vieler Zuhörer.

Wiesbadener Kurier, 06.05.2017

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Susanne Löffler, Public Relations, Museum Wiesbaden