„Reise der Unverzagten“
PRESSECLUB Thilo Tilemann berichtet über die Reise des Partnerschaftsvereins Wiesbaden-Fatih in die Türkei
WIESBADEN . Die Lage in der Türkei ist angespannt. Das beschäftigt auch den Partnerschaftsverein Wiesbaden-Fatih, der sich fragt, wie man mit der Situation am besten umgehen kann. Eines ist nach Ansicht des Vereinsvorsitzenden Thilo Tilemann keine Option: „Es kann nicht sein, dass wir unsere Kontakte abreißen lassen.“ Deshalb brach im Oktober eine elfköpfige Gruppe zu einer „Reise der Unverzagten“ nach Fatih auf, von der Tilemann am Dienstagabend im Wiesbadener Presseclub berichtete. „Wir wollten uns vor Ort ein Bild von der tatsächlichen Lage machen.“
In der Türkei und Istanbul herrsche laut Tilemann durchaus ein modernes Straßenbild. „Vollverschleierte Menschen stammen überwiegend aus arabischen Ländern, die in der Türkei zu Besuch sind.“ Sonstige Touristen würden überwiegend aus Ländern wie der Ukraine oder Aserbaidschan stammen. „Aber natürlich erlebt die Türkei einen touristischen Einbruch.“ Durch die wirtschaftlichen Folgen würden sich zunehmend „tiefe Gräben“ durch die Gesellschaft ziehen.
Und auch die „Säuberungen“ in Form von massenhaften Entlassungen und Festnahmen von Polizisten, Staatsanwälten sowie Lehrern haben zusätzlich negative Außenwirkungen auf öffentliche Einrichtungen. „Bei den Polizisten und Staatsanwälten wird es schwer, die Stellen überhaupt nachzubesetzen“, sagt Tilemann. Bei den Lehrern biete sich angeblich ein anderes Bild. „Da wurde uns gesagt, dass es genügend Bewerber gebe. Woher die kommen, weiß ich nicht. Man hatte das Gefühl, dass die Situation von den Politikern schöngefärbt wird.“
Gespräche mit Vertretern der Opposition
Die meisten Menschen würden sich nicht mehr trauen, offen Stellung gegen die Regierung zu beziehen. „Ich glaube, dass wirtschaftlicher Druck am ehesten die Situation ändern kann“, sagt Tilemann. Positiv sei gewesen, dass es während des Besuches auch zu Gesprächen mit Oppositionellen kam. „Das war eine unserer Forderungen.“ Und diese sei sogar in „großer Runde“ erfüllt worden. „Da konnte jeder unsere Fragen und auch die Antworten hören.“
Der Partnerschaftsvereins verzeichne derzeit einen Mitgliedszuwachs, aktuell habe er 83 Mitglieder. „Das ist außergewöhnlich“, sagt Tileman, der seinen Vortrag mit einem Appell schließt. „Die Türkei besteht nicht nur aus Erdogan. Wer wegbleibt, trifft die Falschen.“
Wiesbadener Kurier, 17.11.2016