Nicht „demokratiekompatibel“
SALAFISMUS Susanne Schröter: Jugendbewegung mit allen Attributen einer Popkultur
WIESBADEN . Das Rhein-Main-Gebiet ist für Susanne Schröter ein „salafistischer Hotspot“. Die Ethnologin, Hochschullehrerin und Leiterin des „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam”, erklärte im Presseclub, dies liege daran, dass wir in „der multikulturellsten Region Deutschlands“ leben. Für Schröter ist Salafismus inzwischen eine Jugendbewegung mit allen Attributen einer Popkultur. Ein Sammelbecken für jene, die gegen den Rest der Gesellschaft protestieren wollen.
Jede Handlung sündig oder gottgefällig
Schröters Beobachtung nach werden Muslime „insgesamt frommer“. Religion gewinne für einen Teil der muslimischen Jugend immer mehr an Bedeutung. Die Salafisten unter ihnen würden nach einem „regelgetreuen Vorschriftenislam“ leben, nach dem jede Handlung entweder gottgefällig oder sündhaft ist. In ihrem strikten Weltbild erscheine die Welt geordnet und werde mit Sinn versehen. Das gerade sei für verunsicherte Jugendliche attraktiv.
Die Ethnologin findet es an der Zeit, zu definieren, „was eigentlich Religion ist. Man kann nicht jeden Mist als Religion etikettieren. Hetze in Moscheen ist meiner Meinung nach nicht durch die im Grundgesetz verbriefte Religionsfreiheit gedeckt.“ Extremismus jedenfalls ist für Schröter „keine Religion, die wir bei uns dulden sollten“.
In der Veranstaltung, zu der Presseclub und Europaunion gemeinsam eingeladen hatten, zeigte Schröter auf, dass der Islam ungeheuer vielfältig ist und der Koran in der unterschiedlichsten Art ausgelegt wird. Oft sogar innerhalb der gleichen Moschee-Gemeinschaft. „Kann der Islam Teil der Europäischen Union sein?“, so die Frage von Peter Niederelz, Vorsitzender der Europaunion, mit Blick auf die Entwicklungen in der Türkei. „Ein islamischer Staat kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden“, so Schröter entschieden. „Ein Staat, in dem mehrheitlich Muslime leben, kann selbstverständlich der EU beitreten.“ Wer aber, wie die Türkei, seine Verfassung umbaue und auf dem Weg sei, die Demokratie abzuschaffen, müsse sich viele Fragen gefallen lassen.
Für Schröter ist klar: „Natürlich gehört der Islam zu Deutschland, er gehört auch historisch zu Europa, aber nicht alles, was unter dem Label ‚Islam‘ läuft, ist demokratiekompatibel.“ Wenn es wirklich um Religion gehe, um den spirituellen Weg zu Gott, gebe es keinerlei Zweifel. „Aber wenn jemand kommt, der sagt, dass wir unser Recht in Richtung Scharia umgestalten sollen“, müsse man Pflöcke einschlagen.
Die Ethnologin ist der Meinung, dass neu überlegt werden muss, wie Integration insgesamt gelingen kann – Neuankömmlinge, Alt-Einwohner und Jugendliche eingeschlossen. In der „Problemzone Offenbach“ machte sie ein leuchtendes Beispiel aus, wie man schwierige Jugendliche von der Straße holen und für etwas begeistern kann. Boxtraining ist der Angelhaken – wer mitmachen will, muss auf Schlägereien verzichten, Nachhilfeunterricht nehmen und pünktlich sein. Die harte Schule hat dazu geführt, dass die jugendlichen Boxer in soziale Arbeit eingebunden werden können – was nebenbei die Sozialarbeit verändert. „Wenn die jungen Boxer ältere Menschen betreuen, bekommen sie enorm viele positive Rückmeldungen.“
Wiesbadener Kurier, 17.11.2016