Fake News für das Millionenpublikum
PRESSECLUB Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Medien sind Thema beim Jahresempfang
WIESBADEN . Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Medien: Das war das Thema beim Jahresempfang des Presseclubs. Dessen Chef Stefan Schröder konstatierte eine allgemeine Verdrossenheit gegen alles und jeden. Medienskepsis durch mangelnde Bereitschaft, sich zu informieren. Mit Ausnahmen: „Wer heute hier ist, ist auf dem Laufenden, gut informiert und gehört zur schrumpfenden Zahl der vernünftigen Zeitgenossen“, so Schröder.
Unter den Gästen waren Ex-Bundesministerin Hannelore Rönsch, Ehrenbürger Hans-Joachim Jentsch, zwei Oberbürgermeister, der ehemalige und der amtierende, Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel, Kämmerer Axel Imholz, Stadträtin Rose-Lore Scholz, IHK-Präsident Christian Gastl und ranghohe Militärs.
Entlarven und unglaubwürdig machen
Oberbürgermeister Sven Gerich erklärte im Presseclub: „Wir brauchen sorgfältig ausgewählte, gut recherchierte Artikel, die den Kampf gegen die Fake News antreten. In dem sie durch nachvollziehbare Fakten Desinformation entlarven und unglaubwürdig machen.“ Sorgfältige Berichterstattung sei selten „so gefragt und so notwendig wie heute“ gewesen. Gerich schätzt es, wenn „die Auswahl und die Bearbeitung von Information in Expertenhänden liegt“. Medien müssten Haltung zeigen. Doch vor allem sollten sich Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer auf den Wahrheitsgehalt der Nachrichten verlassen können.
Der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Präsident des Frankfurter Presseclubs, Werner D’Inka, wählte für seinen Vortrag die Überschrift „Nepper, Hacker, Faktenfälscher“, in Anlehnung an eine ZDF-Sendereihe, die vor Betrügereien im Alltag gewarnt hatte.
Die öffentliche Meinung zu beeinflussen, oft subtil und professionell gemacht, sei weder neu noch „von vornherein illegitim: „Heerscharen von PR-Agenturen, Unternehmens-Kommunikatoren und Spindoktoren arbeiten daran.“ Berater für Öffentlichkeitsarbeit mühten sich, die „Lufthoheit über den Stammtisch“ zu gewinnen.
Nicht nur die Industrie habe ihre Lobbyisten, sondern auch die Wohlfahrtsverbände „arbeiten daran, die öffentliche Meinung gewogen zu stimmen“. Neu sei zum Teil das publizistische Arsenal. Wer in der analogen Welt seine Mitmenschen von seinen Ansichten überzeugen oder die Weltöffentlichkeit aufrütteln wollte, der hatte nur einen „ziemlich kleinen Wirkungsgrad.“ Heute erreiche jeder über die sozialen Medien „ein Millionenpublikum – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch“.
Zu jeder Zeit könne man „Geistesblitze in alle Welt hinaus senden“. Dafür fänden sich dann Anhänger, „Follower“, von Wiesbaden bis Wisconsin. Unter anderem deswegen gehe in Deutschland die Angst um, das in diesem Wahljahr „Fake News“ zu einem Massenphänomen werden könnten. Nach einer Forsa-Umfrage rechneten tatsächlich 44 Prozent der Deutschen damit, dass Falschmeldungen im Bundestagswahlkampf eine entscheidende Rolle spielen könnten. D’Inka: „Man darf aber nicht so tun, als sei die Lüge erst mit dem Internet in die Welt gekommen.“
Wiesbadener Kurier, 09.03.2017