Die Lokalzeitung als Identitätsstifter


PRESSECLUB Chefredakteur von "Wiesbadener Kurier" und "Wiesbadener Tagblatt" zu Gast

MAINZ. Die Selbstvorstellung als "eingefleischter Print-Anhänger" wird mit reichlich Material unterfüttert. Jede Menge Ausgaben des "Wiesbadener Kuriers" hat Stefan Schröder mitgebracht in den Mainzer Presseclub, dazu Exemplare diverser Sonderpublikationen. Der Chefredakteur der Tageszeitung, die von der Verlagsgruppe Rhein Main herausgegeben wird, in der auch diese Zeitung erscheint, präsentiert sich seinen Branchen-Kollegen mit tatendurstigem Optimismus.

Branche längst im Internet angekommen

"Selbstverständlich kann eine Tageszeitung ausschließlich auf Papier heute nicht mehr ihre Wirkung erreichen", gibt Schröder zu. Längst ist die Branche voll im Internet angekommen. Die Netz-Reichweite des "Wiesbadener Kuriers" und des inhaltsgleichen "Wiesbadener Tagblatts" entspricht, auf das Verbreitungsgebiet bezogen, der des Web-Vorreiters "Spiegel Online". "Daran kann man sehen, welche Bedeutung die Lokalzeitung vor Ort noch hat", betont der Journalist, der als Credo "das Lokale, hoch kompetent, hoch qualitativ und demütig hoch drei" ausgibt. Als Nachrichtenübermittler, lokaler und regionaler Identitätsstifter und auch als Erklärer, welche Auswirkungen die nationalen und internationalen Ereignisse vor Ort haben, kann die Tageszeitung ihren Platz behaupten.

Schröder versucht nicht, die Folgen des Strukturwandels innerhalb der Medienlandschaft kleinzureden. Wer nicht rechtzeitig damit begonnen hat, Kosten zu reduzieren, ist heute nicht mehr da oder von anderen geschluckt worden. Acht Prozent seiner Auflage verkauft der Kurier als E-Paper. Im Windschatten von "Spiegel Online" hat sich bei den Nutzern im Netz eine Gratiskultur etabliert, die bereits reichlich Arbeitsplätze gekostet hat. Die Lösung: Man müsse neue Zielgruppen konsequent ansprechen.

In Wiesbaden geschieht dies mit der Monatszeitung "Mensch! Westend", die speziell auf den migrantisch geprägten Stadtteil abgestimmt ist. Auch für Flüchtlinge wurden schon eigene Zeitungen gedruckt, auf Einsteiger-Sprachniveau, die Unterrichtsstoff für Sprachkurse geworden sind. Ebenso wie bei der Kinderzeitung "Kruschel" werde hier "Grundlagenarbeit geleistet".

Im Web gibt es Optimierungsbedarf. Der Grat, nicht jedem Trend nachzurennen und trotzdem nicht den Anschluss an die sich wandelnden Nutzergewohnheiten zu verlieren, ist schmal. Und der Fehlerteufel ist allen Bemühungen zum Trotz, wie Schröder zugibt, "leider unausrottbar bei der Geschwindigkeit, mit der wir arbeiten". Als Medium für seriös und zugleich mit Herzblut erarbeitete Information und Einordnung sowie, so Schröder, für die tägliche "erwartbare Überraschung" bleibt sie bestehen.

Allgemeine Zeitung, 24.11.2016

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Andreas Bell, Beisitzer im Vorstand des PCW