Die häufigsten Mythen der russischen Propaganda | November 2022
Artikel Nr. 6, November 2022
Von Olena Sadovnik
Die häufigsten Mythen der russischen Propaganda über die EU und die NATO
Russlands groß angelegter Krieg gegen die Ukraine wäre nicht möglich, wenn es keine vom Kreml kontrollierten Massenmedien gäbe, die nichts mit Journalismus zu tun haben und seit Jahrzehnten Propagandanarrative verbreiten. Seit Wladimir Putin 1999 zum Präsidenten gewählt wurde, hat er einen Kreis treuer Journalisten um sich herum gebildet. Und später, in den 2000er Jahren, startete Putin eine schrittweise Kampagne zur Einschränkung der Meinungsfreiheit in Russland. Der prominenteste Fall war der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja im Jahr 2006, die Putin und seinen Krieg in Tschetschenien öffentlich kritisiert hatte. Heutzutage gibt es in Russland keine unabhängigen Medien. Keine. Viele Journalisten verließen das Land und starteten Medienprojekte in den Nachbarländern. Die Journalisten, die im Land geblieben sind, kopieren einander und wiederholen politische Mythen, um die militärische Aggression zu rechtfertigen. Darüber hinaus sendet der Kanal Russia Today in englischer und anderen Sprachen für ausländische Zuschauer. In Deutschland hat die Regulierungsbehörde im Februar 2022 die Sendung auf Deutsch gesperrt. Nachfolgend sind beispielhaft drei Mythen aufgeführt, die in diesem Monat von den russischen Propagandamedien über die EU und die NATO verbreitet wurden.
Mythos 1: Heuchlerischer Westen und ehrliches Russland
Die europäischen Politikerinnen wurden im russischen Fernsehen wegen ihrer Unterstützung der Ukraine heftig angegriffen. Prominente Politikerinnen aus Deutschland, Estland, Finnland und Großbritannien wurden in russischen Talkshows als „eine Generation aggressiver europäischer Frauen“ sowie „Provokateurinnen und Anstifterinnen eines neuen Krieges“ bezeichnet. „Es handelt sich um eine Generation der Hausfrauen, die sich zur sozialistischen und keineswegs kommunistischer Ideologie bekennen, dann aber aufgrund politischer Umstände ihre Meinung geändert haben. Sie sind ignorante, ungebildete Russophobinnen...“
(Link to screen, Twitter account of Francis Scarr)
Das Verdrehen, Lügen und Verschieben von Schwerpunkten sind die Merkmale der russischen Propaganda. Das wichtigste Sprachrohr des Kremls, Margarita Simonyan, griff dieses Thema schon oft auf und sprach von der angeblichen „Heuchelei“ des Westens und der „Ehrlichkeit“ der russischen Absichten. Das russische Außenministerium veröffentlichte vor Beginn des umfassenden Krieges am 24. Februar 2022 eine Berichtigung von Erklärungen über die russischen Absichten, in die Ukraine einzumarschieren, und beschuldigte die westlichen Medien, eine Hysterie zu schüren.
Und nachdem Olaf Scholz gesagt hatte, dass der Vorfall in Przewodów nicht passiert wäre, wenn Russland nicht in die Ukraine einmarschiert wäre, verglich ihn der russische Top-Propagandist Wladimir Solowjow absurderweise mit Hitler und deutete an, dass Russen ebenso wie Juden standardmäßig wegen der antirussischen Hysterie überall schuldig sind.
Mythos 2: Russland kämpft gegen die NATO
„Wir kämpfen gegen die NATO, sie ist ein starker Gegner. Russland hat einen Gegner im Angesicht des kollektiven Westens, und die Ukraine ist eine der Fronten. Aber der Westen wird schwächer und hat den Weg der Zusammenstöße mit anderen Staaten eingeschlagen, insbesondere mit China, das nicht vom Sieg des kollektiven Westens profitieren würde. Der Moment, in dem der Westen seine Ressourcen erschöpft, ist nahe, daher sollte jeder von dem russischen Sieg überzeugt sein. Russland lässt sich nicht besiegen.“
Auch das stimmt nicht. Die russische Propaganda versucht die Gedanken über die Niederlage in der Ukraine zu unterdrücken, indem sie den eingemotteten Mythos vom Krieg Russlands gegen die NATO reproduziert, um dem Publikum den Rückzug zum Beispiel aus Cherson erklären zu können. Damit wird der Mythos über die historische Unbesiegbarkeit Russlands und die Behauptung, die NATO habe einen Krieg gegen Russland begonnen, aufrechterhalten.
Mythos 3: Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Krieg gegen den satanischen Westen
Die russische Propaganda vertritt auf mehreren Ebenen die These vom „heiligen Krieg gegen den satanischen Westen“ und der „letzten apokalyptischen Schlacht“ gegen den Antichristen. Auf diese Weise versuchen die russischen Propagandisten, an die Gefühle der gläubigen Christen und Muslimen zu appellieren, damit Putins Krieg, den niemand braucht, vor allem bei den eingezogenen Wehrpflichtigen Widerhall finden möge.
Die Arbeit über russische Mythen wird fortgesetzt